Yeochang Gagok
(Liederzyklus für Ensemble und Frauenstimme)
Photosammlung vom Konzert am 15.9.07 in Mailand.
Quelle: MiTo Settembre Musica
1. Ujo Isudaeyeop
Die hängenden Weidenzweige
spinnen Fäden / Die Nachtigall ist das Schiffchen auf dem Webstuhl meines
Sehnens / Neunzig Frühlingstage lang webt es nur meine Wehmut / Wer meint
da / Heruntergefallene Blüten und hochgewachsenes Grün seien besser als die
Zeit der vollen Blüten
2. Ujo Pyeonggeo
Ein Lächeln erzeugt
hunderterlei schöne Gestalt / Das ist das wahre Wesen der Yang Gufei /
Ihretwegen wurde der Kaiser Ming Xuonzhong 10.000 Meilen in die Verbannung
geschickt / Und jetzt / Trauern wir um die bei den Hügeln von Ma-wei verwelkte
Blüte
3. Ujo Dugeo
Ein Augenzwinkern ist wie drei
Herbste / Wieviele Herbste haben dann 10 Tage? / Wer selber ein fröhliches Herz
hat, denkt nie an den Kummer der anderen / 1000 Meilen / entfernt von meiner
Liebe finde ich keinen Schlaf
4. Semi Ujo/Gyemyeonjo Banyeop
Laß nicht andere deine
Botschaft überbringen / Komm selbst / Zwar möchten die anderen deine Sache
nicht verderben / Aber ob ein durch einen Anderen / Geschickter Brief
tatsächlich ankommt?
5. Gyemyeonjo Junggeo
Hinter den Westbergen sinkt die Sonne / Himmel und Erde sind endlos weit / Auf Birnenblüten scheint der weiße Mond, die Sehnsucht nach meiner Liebe kommt zurück. / Du, Kuckuck, nach wem sehnst du dich weinend die ganze Nacht hindurch?
6. Gyemyeonjo-to-Ujo Pyeongnong
An alle Sterne des Großen Bären, eins, zwei, drei, vier, fünf, sechs, sieben / Ich möchte euch meine klägliche Lage darlegen / Endlich bin ich meiner ersehnten Liebe wiederbegegnet, aber ich konnte nicht alles sagen, da der Tag schon hell wurde, das ist sehr schade. / Nur heute Nacht / Befehlt den drei Sternen des Orion, dem Morgenstern zu wehren.
7. Ujo Urak
Der Wind weht wie ein Erdbeben / Es gießt ohne Unterlaß / Mit Blicken schworen wir einander, uns heute nacht zu treffen, doch wie kannst du durch diesen Wind und Regen zu mir kommen / Wenn du wirklich kommst, ist das ein Wink des Schicksals
8. Semi Ujo/Gyemyeonjo Hwangyerak
Bächlein vorn, Bächlein hinten.
/ Ihr Burschen, wenn ihr die Kühe zum Grasen auf die Weide führt, / könnt ihr
die Fische vom vorderen und hinteren Bächlein doch in euren Korb werfen, und
sie an die Hüften eurer Kühe binden. / Auch wir / Sind eilig auf dem Weg,
wissen nicht, ob wir die Ware liefern können.
9. Gyemyeonjo Pyeonsudaeyeop
Die Pfingstrose ist der König aller Blumen / Die Sonnenblume ist ein treuer Untertan. / Die Lotusblume ist ein sanfter Herrscher, Aprikosen-Blüten sind kleinkarierte Menschen, die Chrysantheme ein zurückgezogener Gelehrter, Pflaumenblüten verarmte Gelehrte, die Kürbisblüte ein alter Mann, die Steinbambusblüte ist ein Knabe, die Malvenblüte ein Schamane, die Wildrose eine Kurtisane / Unter allen hier / Nenne ich die Birnenblüten reisende Dichter, und die rote Pfirsich-, blaue Pfirsich-, dreifarbige Pfirsichblüte einen Liebhaber schöner, gleichgültiger Dinge.
10. Gyemyeonjo Taepyeongga
Diese dort ist eine von einem
guten König beherrschte friedvolle Zeit. / Jene dort ist eine von einem guten
König beherrschte friedvolle Zeit, / Wie die Zeiten der Könige Yao und
Shun. / Auch wir / haben solch ein gutes friedvolles Zeitalter, und so
wollen wir uns jetzt am Dasein ergötzen.
- ca. 70 Minunten, KEINE PAUSE! -
Kim Ji-eun, Gesang
Ensemble Jeong Ga Ak Hoe, Leiter: Chun Jaehyun
Vokalmusik ist in allen Bereichen der koreanischen traditionellen Musik von größter Bedeutung. Die Ritualmusiken des aristokratischen wie der religiösen Gebräuche kommen nicht ohne Gesang aus, die Lieder nehmen innerhalb der Volksmusik den allergrößten Teil ein, und auch die „pungryu“, die Musik der Gebildeten Klasse hat eine Gesangskultur von künstlerisch allerhöchstem Niveau ausgebildet. Es gibt drei pungryu-Gesangsformen, die miteinander verwandt sind: Sijo, Gasa und Gagok. Bei Sijo, der auf der gleichnamigen Kurzgedichtform beruht und bei Gasa, nach Langgedichten, ist die instrumentale Begleitung sehr kleinbesetzt, es kann sogar das Händeklatschen des Sängers als Begleitung ausreichen. Hier sind nur die Gesangsmelodien notiert, und die Instrumente folgen der Gesangslinie in freier Umspielung. Auch Gagok benutzt die Sijo-Kurzgedichte, aber ihre instrumentale Begleitung, an der mindestens fünf Instrumente teilnehmen sollen, ist auskomponiert und von äußerstem Feinsinn, und im Gegensatz zu Gasa und Sijo, die bis ins 20. Jahrhundert zum Abendvergnügen von Angehörigen der gebildeten Schicht gesungen wurde, nur professionellen Musikern und Sängern zugänglich.
Der Begriff Gagok stammt aus dem 18. Jahrhundert, die Liedkunst aber geht weit ins 16.Jahrhundert zurück und war langsamen, evolutionären Wandlungen unterworfen. Von drei Grundformen langsamen, mittleren und schnellen Tempos ist heute nur noch die schnelle vorhanden, die wir allerdings auch als sehr langsam empfinden. Es gibt zwei Gagok-Zyklen, eine für männliche Stimme (Namchang-Gagok) mit 27 Liedern und eine für Frauenstimme (Yeochang-Gagok) mit 15 Liedern, aus welchem für das heutige Konzert eine umfangreiche Auswahl getroffen wurde. Die Lieder, die aus einem Vorspiel, einem Zwischenspiel und zwei Gesangsabschnitten bestehen, folgen traditionell ohne Unterbrechung aufeinander, und um jede Irritation zu vermeiden, projizieren wir die Texte simultan. Die Zuordnung dieser bestürzend schönen Texte zu den Gesangsmelodien und ihrer instrumentalen Begleitung ist jedoch ebenfalls relativ neu. Noch im 17. und 18. Jahrhundert konnte praktisch jedes Sijo-Gedicht als Text genommen werden. Wegen des langsamen Tempos, der Fragmentierung der Worte in einzelne, langgezogene Silben, die besonders im Yeochang-Gagok überaus kunstvolle Stimmführung mit weiten Vibratos, großen Tonsprüngen, Überschlagen und Verschlucken der Stimme mußte die Kenntnis der Texte beim Hörer vorausgesetzt werden – oder sie hatten gar keine Bedeutung. Äußerlich scheinen die Texte in konfuzianischer Mäßigkeit leidenschaftliche Gefühle auszudrücken; gleichzeitig sind sie aber voller heute unverständlicher Anspielungen auf Politik, Geschichte oder Ereignisse bei Hofe.
Gagok ist Ensemblemusik. Die Stimme integriert sich bescheiden in das geordnet heterophone Gesamtgeschehen und reizt so die überraschenden Schönheiten von Schwebungen und klanglichen Reibungen aus. „Nur Kutscher singen mit offenem Mund“, wurde den Gisaeng-Schülerinnen eingeschärft – Gagok-Singen gehörte wie Dichtkunst, Kalligraphie, Chinesisch zu den Fertigkeiten, die eine Gisaeng beherrschen mußte. Gisaengs sind die koreanischen Geishas, Unterhaltungsdamen für die Beamten und Aristokraten – als interessante Gesprächspartnerinnen, aber auch mit sexuellen Pflichten -, und für Mädchen der unteren Stände war dieser Beruf die einzige Möglichkeit, an der höheren Bildung teilzuhaben. Diese intimste, zarteste, rührendste aller koreanischen Liedkünste war seit dem 18. Jahrhundert hochprofessionalisiert, was vielleicht auch ein Grund für den Verlust des spielerischen Umgangs mit den Texten war.
Gagok wird in Korea heute sehr zwiespältig rezipiert. Zahlreiche CD-Aufnahmen, die die Solistin in den Vordergrund stellen und also Publicity über die Achtung der Kunst setzen, zeugen von dem Prestige, das Gagok zugemessen wird. Jedoch gibt es kaum zyklische Aufführungen, und manche Koreaner meinen gar, Gagok repräsentiere die Schwäche der Joseon-Dynastie, die sich Anfang des 20. Jahrhunderts nicht mehr gegen die japanischen Invasoren behaupten konnte…
Wie viele koreanische Musikformen beginnt ein Gagok-Zyklus sehr langsam und steigert das Tempo nach und nach, ohne jemals schnell zu werden. Es gibt zwei Modi: Ujo vertritt das aufrechte Gefühl, Gyemyonjo das melancholische – trotzdem werden zuerst die Lieder im Ujo-Modus gesungen. Den Höhepunkt stellt, sowohl beim Männer-, als auch beim Frauen-Gagok das letzte Lied „Taepyeongga“ dar, das „Lied vom Großen Frieden“, das wieder langsam ist, um die Zuhörer in eine ruhige Stimmung zu entlassen.
Matthias R. Entreß
Kim Ji-eun, Sängerin
ist langjähriges Mitglied in der Gruppe Jeong Ga Ak Hoe. Sie absolvierte die Gugak (Trad. Musik) National High School und die E-wha Women’s University, Trad. Musikabt. im College of Music, 1997. Sie gewann mehrere erste und zweite Preise bei nationalen Wettbewerben der traditionellen Musik (Dong-a 1994, Nangae 1995) und ist offizielle Bewahrerin des Wichtigen Unberührbaren Kulturschatzes Nr. 30, Gagok.
Sie war neben Konzerten auch an mehreren Theaterproduktionen von Jeongga Akhoe beteiligt, z.B. an „Utopia“ 2005 und an „Words and Music“ nach Beckett, 2007
Jeong Ga Ak Hoe
ist in der unabhängigen Traditionellen Musikszene Koreas die wichtigste und aktivste Gruppe zur authentischen Rekonstruktion der klassischen Kunstmusikformen Koreas und zur Entwicklung der Musik angemessenen Konzertformen. Sie wurde im Jahre 2000 mit dem Zweck gegründet, vor allem den Gesang mit Ensemble Gagok neu zu erforschen. Dem entspricht der doppeldeutige Name, der wörtlich lautet: Musikgruppe für den richtigen bzw. tieffühlenden Gesang. In kontinuierlicher Probenarbeit haben sich lebendige
Interpretationen von höchster Verfeinerung entwickelt, die gleichwohl verantwortungsvoll und akribisch mit den teils neu aufgetanen Quellen umgehen. Die Bewahrung und Wiederentdeckung der stilistischen Vielfalt der traditionellen Kunstmusik ist eine weitere wichtige selbstgestellte Aufgabe der Gruppe.
Neben Konzerten, auch im Ausland – 2006 in San Francisco, 2005 in Skandinavien, und 2004 waren vier Mitglieder der Gruppe Artists in Residence beim Festival Urban + Aboriginal XVI in Berlin und anderen Städten in Deutschland und den Niederlanden – haben Jeongga Akhoe eine stattliche Anzahl von musikbezogenen Theateraufführungen gestaltet, in denen stets das Verhältnis der traditionellen Gelehrtenmusik zur heutigen Gesellschaft im Zentrum stand: „Utopia“ 2005, „Der Kontrabaß“ (nach Patrick Süskind), „Words and Music“ 2007, nach Samuel Beckett. Mit diesen Aktivitäten haben sie insbesondere eine junge Hörerschaft mit dem antiken Erbe Koreas in Berührung gebracht und die Aktualität dieser Musik bewiesen.
Die Mitglieder sind:
Mr. Chun Jaehyun: bündige 6-saitige Wölbbrettzither Geomun’go
Miss Lee Hyang-hee: Bambusoboe Piri
Miss Lee Seunghee: zweisaitige Spießgeige Haegeum
Miss Lee Seung-a: 12-saitige bundlose Wölbbrettzither Gayageum
Mr. Kim Hyun-soo, Bambusquerflöte Daegeum
Mr. Lee Kang-sam, Bambusblockflöte Danso
Mr. Do Kyoung-tae, Sanduhrtrommel Janggo
Miss Kim Yewon, Managerin
Photosammlung vom Konzert am
15.9.07 in Mailand. Quelle: MiTo Settembre Musica
Milano Musica e danza dalla
Corea al Teatro Litta |
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Milano Lo spettacolo di musica
e danza dalla Corea al teatro Litta |
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