Mingan Julpungryu (Suite für Instrumentalensemble)
Photosammlung vom Konzert am 14.9.07 in
Mailand.
Quelle: MiTo Settembre Musica
Daseureum (Vorspiel)
1.
Sangryeongsan
2.
Jungryeongsan
3 Seryeongsan
4.
Garak-deori
5.
Sanghyun-dodeori
6.
Dodeuri
7.
Hahyeon-dodeuri
8.
Yeombul-dodeuri
9.
Taryeong
10.
Gunak
11.
Gyemyeon-garak-dodeuri*
13.
Yangcheong-dodeuri*
14.
Ujogarak-dodeuri*
(*
auch bekannt als Cheonnyeonmanseh – „Tausend Jahre Freude“)
Jeong Ga Ak Hoe
Mr.
Chun Jaehyun: bündige 6-saitige Wölbbrettzither Geomun’go, musikalische
Leitung
Miss Lee Hyang-hee: Bambusoboe
Piri
Miss
Lee Seunghee: zweisaitige Spießgeige Haegeum
Miss
Lee Seung-a: 12-saitige bundlose Wölbbrettzither Gayageum
Mr.
Kim Hyun-soo, Bambusquerflöte Daegeum
Mr.
Lee Kang-sam, Bambusblockflöte Danso
Mr. Do Kyoung-tae,
Sanduhrtrommel Janggo
Miss
Kim Yewon, Managerin, Bühne
Wer Koreanisch lernen will, kann an der Vielzahl der Möglichkeiten, eine
Sache auszudrücken, verzweifeln. So ist es auch mit musikalischen Begriffen.
Wenn die Gruppe Jeong Ga Ak Hoe die instrumentale Suite im heutigen Konzert „Mingan
Julpungryu“ betitelt, drückt sie damit einerseits eine Distanz zur
konventionellen, musealisierenden Darstellung dieser Musik aus und weist
andererseits auf die Herkunft und Überlieferungswege des Stücks hin, wie es
heute erklingt.
„Julpungryu“
heißt „Saitenmusik“ und bezieht sich auf die führende Rolle der sechssaitigen
Wölbbrettzither Geomun’go im Ensemble, und es ist die Besetzung, mit der
vor allem die Suite Yeongsanhoesang aufgeführt und die Lieder des Gagok-Zyklus
begleitet werden. „Julpungryu“ ist somit ein Synonym von „Yeongsanhoesang“.
„Mingan“ heißt „regierungsfern/zivil/unter normalen Leuten“, und dies zu
betonen ist der Hinweis auf ein Abenteuer musikalischer Erforschung und
Rekonstruktion, das im heutigen Korea nicht seinesgleichen hat.
Yeongsanhoesang geht auf einen ensemblebegleiteten buddhistischen Gesang „Yeongsan
hoesang bulbosal“ (Buddha predigte auf dem Geierberg) von vor dem 14.
Jahrhundert zurück. Während der Text im Laufe der Zeit verlorenging, vermutlich
wegen des dem Buddhismus feindselig gegenüberstehenden streng konfuzianischen
Joseon-Staates (1392-1910), bildeten sich durch Variation und Hinzufügungen um
die Grundmelodie herum, die wahrscheinlich im vierten Satz, Garak-deori,
in ihrer originalsten Form erhalten ist, mehrere Versionen dieser
Ensemblesuite. Es ist eines der ersten Stücke, die im Rahmen der von König
Sejong (reg. 1418-50) initiierten Reform von Schrift und Musik im neuen
Notationssystem notiert wurde. Sowohl durch die Art und Weise ihrer Entstehung
als auch alle ihre ästhetischen, formalen und inhaltlichen Aspekte steht sie
modellhaft für die koreanische Jeong-ak, die regelgerechte Musik der
Aristokratie, der Intelligenz und des Hofes. Es gibt hier keine einzelnen
Komponisten, deren Personalstil sich erkennbar ausdrückt. Stattdessen herrschte
ein evolutionäres Prinzip vor, allerdings eines, das stark von philosophischen,
das heißt, konfuzianischen Idealen, und musikwissenschaftlichen Erwägungen
geprägt wurde.
Yeongsanhoesang in seiner
Grundform hat neun Sätze, die eine für die koreanische Musik typische
Beschleunigung des Tempos darstellen – ein übrigens auch heute in den in Korea
recht beliebten Überblicks-Konzerten mit zahlreichen kurzen Beispielen der
verschiedensten Stile der Traditionellen Musik beobachtbares Ordnungsschema.
Weniger streng erscheint die ebenfalls kanonisierte Version „Kajin Hoesang“,
in der sämtliche für dieses Ensemble vorhandenen Stücke zusammengefügt werden (Kajin
heißt „alles enthaltend“), und die zum Ende hin durch mehrfache
Retardierung und Beschleunigung eine gewisse zusätzliche Spannung in den
Verlauf einbringen. Besonders zu erwähnen sind die letzten drei Sätze, die auch
separat unter dem Titel „Cheonnyeonmanse“ gespielt werden können. Diese
stammen aus dem 7.Jahrhundert und beruhen auf der taoistischen Musik „Boheoja“
chinesischen Ursprungs, die auch als orchestrale Hofmusik existiert.
Kajinhoesang, oder Julpungryu,
wird in einer Art Tabulatur notiert. Chinesische Zeichen (Hyeob 夾, Jung 仲, Im 林, Nam 南, Mu 無, Hwang潢, Tae 太, die in etwa f, g, a, h, c, d, e entsprechen), die in
Quadraten angeordnet sind, markieren die Tonhöhe, und durch verschiedene
Verzierungszeichen werden teils recht komplizierte Tonbewegungen
gekennzeichnet.
Jedoch
die schriftliche Überlieferung ist nicht der einzige Weg. Yeongsanhoesang/Julpungryu
wurde nicht nur am Hof gespielt, als Bankettmusik, zur Begleitung von Tänzen
(z.B. Maskentanz Cheoyongmu) und zur Repräsentation konfuzianischer
Ideale (die es in der außermusikalischen Wirklichkeit vermutlich schwerer
hatten), sondern auch fernab vom Machtzentrum des Staates, wo sich andere,
regionale Spielweisen des Stücks ausbildeten.
Diesen
Provinzstilen, die schließlich den Reichtum der koreanischen traditionellen
Musik mitbegründen, hat die Gruppe Jeong Ga Ak Hoe nachgespürt.
Eine
faszinierende Eigenschaft dieses Werks ist, daß es sich aus Einzelstimmen
zusammensetzt, die bereits in Duo- oder Trio-Besetzung oder gar solistisch
Bestand haben, und die auch einzeln überliefert wurden. So hat z.B. für diese
Fassung der Geomung’go-Spieler Chun Jaehyun die Version des Meisters Im
Ho-seok notiert und erlernt, die Piri-Spielerin Lee Hyanghee hat unter
anderem die Piri-Melodie von alten Schallplatten aus der japanischen
Kolonialzeit mit der „Joseon Jeongak Troupe“ gelernt, und die Haegeum-Spielerin
Lee Seunghee spielt Meister Jee Yeong-hees Version, die sie während ihres
Studiums von ihrem Lehrer Kim Hyung-sub gelernt hat. Es ist also, als würden
sich Gelehrte verschiedener Provinzen in einem Pungryubang (etwa
„Musikzimmer“) treffen und gemeinsam spielen, und dabei natürlich nicht
sklavisch das Erlernte reproduzieren, sondern es mit wachem musikalischen
Gefühl einbringen. Die Stimmen unterschiedlicher Herkunft fügen sich problemlos
zu einem farbigen Ganzen zusammen. Noch bis in die 70er-Jahre des letzten
Jahrhunderts sollen die Gelehrten sich zu solchen Pungryubangs
zusammengefunden haben, und diese Tradition, nicht die des königlichen Hofes,
wird von Jeong Ga Ak Hoe im Moment des Verschwindens aufgenommen und als
lebendige Musik in die Gegenwart gerettet.
Matthias R. Entreß
Jeong Ga Ak Hoe
ist
in der unabhängigen Traditionellen Musikszene Koreas die wichtigste und
aktivste Gruppe zur authentischen Rekonstruktion der klassischen
Kunstmusikformen Koreas und zur Entwicklung der Musik angemessenen
Konzertformen. Sie wurde im Jahre 2000 mit dem Zweck gegründet, vor allem den
Gesang mit Ensemble Gagok neu zu erforschen. Dem entspricht der
doppeldeutige Name, der wörtlich lautet: Musikgruppe für den richtigen bzw.
tieffühlenden Gesang. In kontinuierlicher Probenarbeit haben sich lebendige
Interpretationen
von höchster Verfeinerung entwickelt, die gleichwohl verantwortungsvoll und
akribisch mit den teils neu aufgetanen Quellen umgehen. Die Bewahrung und
Wiederentdeckung der stilistischen Vielfalt der traditionellen Kunstmusik ist
eine weiter wichtige selbstgestellte Aufgabe der Gruppe.
Neben
Konzerten, auch im Ausland – 2006 in San Francisco, 2005 in Skandinavien, und
2004 waren vier Mitglieder der Gruppe Artists in Residence beim Festival Urban
+ Aboriginal XVI in Berlin und anderen Städten in Deutschland und den
Niederlanden – haben Jeong Ga Ak Hoe eine stattliche Anzahl von musikbezogenen
Theateraufführungen gestaltet, in denen stets das Verhältnis der traditionellen
Gelehrtenmusik zur heutigen Gesellschaft im Zentrum stand: „Utopia“ 2005, „Der
Kontrabaß“ (nach Patrick Süskind), „Words and Music“ 2007, nach Samuel Beckett.
Mit diesen Aktivitäten haben sie insbesondere eine junge Hörerschaft mit dem
antiken Erbe Koreas in Berührung gebracht und die Aktualität dieser Musik
bewiesen.
Jeong Ga Ak Hoe spielen Julpungryu im Teatro Litta in
Mailand
Milano |
|
Milano |
|
Milano |
|
Milano |
|
Milano |
|
Milano |
|
Milano |
|
Milano |
|
Milano |
|
Milano |