Juni 1998
SEHNSUCHT NACH FRÖSCHEN
- Felix Hess' Knarr- und Flackerinstallationen in der Singuhr-Hörgalerie
Dies ist die Geschichte eines freien, schöpferischen Forschergeistes. Als Junge war Felix Hess von fliegenden Teppichen und Bumerangs fasziniert. Mit einer Dissertation über letztere schloß er sein Physikstudium ab. Forschungs- und Lehraufträge führten den 1941 geborenen Holländer nach Australien. Im Outback entdeckte er die niemals gleiche Musik von Froschchören. Doch Tonbandaufnahmen waren lediglich Souvenirs. Um die unendliche Varianz der Natur neu-, nachzuschaffen, baute er aus kleinen Lautsprechern, Mikrophonen und Elektrochips Maschinen, die wie Frösche knarrten und aufeinander und auf äußere Geräusche reagierten. 1984 sorgte seine ohrenbetäubende Froschinstallation in der Charlottenburger Galerie Gianozzo für Aufsehen.
Im Glockenturm der Parochialkirche, der singuhr-hörgalerie, quaken sie nun wieder, die elektronischen Frösche, doch jetzt haben sie ihre Mikrophone sozusagen ortsentsprechend auf kosmische Ereignisse gerichtet. Nehmen sie Luftdruckschwankungen wahr, wie sie die in ewiger Bewegung befindliche Atmosphäre, aber auch das Öffnen einer Tür oder, bei besonderer Stille, die Besucher verursachen, geben sie alle gemeinsam, doch unabhängig voneinander, ein kleines Knarzen von sich. Das gleiche Sensorium steuert im Raum darunter eine Anzahl am Boden verstreuter Ballonbirnen, und deren Wirkung ist dramatischer, gewaltsam und geradezu psychedelisch. Luftbeben wird in massives Lichtbeben verwandelt, das die Netzhaut überlastet und dessen Hitze man im Gesicht spürt. Sowohl die Glühbirneninstallation als auch die "crackler"-Frösche erzählen von atmosphärischen Umwälzungen, von ungeheurem und für Menschen unspürbarem Getöse, von riesenhaften, unerreichbar fernen Ereignissen und der eigenen Kleinheit.
Felix Hess, Träumer, Bastler, Maler ohne Farben, kümmert sich nicht um Fragen der äußeren künstlerischen Gestalt. Seine Maschinen legen der Phantasie Spuren, die zum Selberträumen unmalbarer Motive leiten - die Bilder des Physikers liegen jenseits der Grenzen des Wahrnehmbaren.
Matthias
R. Entreß
Parochialkirche, Klosterstr.67, Berlin Mitte, Mi-So, 15-20 Uhr, noch bis zum 5.Juli