August 1998
EIN KONZERT FÜR AUTOMATISCHEN CHOR
- Manos Tsangaris' Fadenorgeln in der Parochialkirche
Die Ausstellungen der singuhr-hörgalerie in der Parochialkirche beginnen stets mit einer kleinen Enttäuschung, denn viel zu sehen gibt es nicht, und das Gehör bedarf einiger Beruhigung, bis es die Feinheiten der akustischen Eingriffe in den Raum unterscheiden kann. So wollen auch Manos Tsangaris' "Fadenorgeln", die momentan das Hauptschiff der Kirche bespielen, erstmal in ihrer Eigenart und Funktionsweise erkannt werden.
Von der Decke hängen in drei Ebenen 7 kleine CD-Musikanlagen, die vom Betrachter mittels Schnüren in Betrieb und in Schwingung versetzt werden können. Was erklingt, ähnelt im ersten Moment nur allzusehr gregorianischer Sakralsounddekoration, doch schon nach kurzem Verweilen und nachdem einer der Apparate ein glissandierendes Kichern hat hören lassen, beginnt sich der vielseitige Witz der Musikinstallation zu enthüllen. Der 42-jährige Düsseldorfer Tsangaris hat bei Mauricio Kagel Komposition studiert, arbeitete u.a. als Komponist fürs Theater und bestritt Ausstellungen mit seinen ausgetüftelten Theaterapparaten und Zeichnungen.
Auf der Grundlage des 148.Psalms (Gottes Lob im
Himmel und auf Erden) schuf Tsangaris 7 Fragmente für Frauenstimmen, die von
Simon Stockhausen für die speziellen Bedingungen der Parochialkirche elektronisch
verändert wurden. So hallen die Stimmen von ganz oben, erstaunlich kraftvoll
angesichts der kleinen Lautsprecher, zum Baß zerdehnt, aus mittlerer Ebene
computerisiert und zerschnitten, während die dicht über den Zuhörern baumelnden
Geräte Teile des Texts erkennen lassen. So ergibt sich eine multiphone
sakrale Collagenkomposition, bei der die einzelnen Elemente, wunderbarerweise
unabhängig davon, in welcher Folge und Dichte, wie ganz natürlich auseinander
hervorzuwachsen scheinen. Die geschickte Handhabung modalen Tonmaterials -
d.h. auf der Basis einer Skala anstelle dramatischen Tonartenwandels - macht
die Besucher, die Glöckner von Parochial, zu Komponisten einer immer gelingenden
und niemals gleichen elektronischen Chorfantasie zum Lobe des Herrn, deren
Schönheit sich umsomehr erschließt, je länger man sich ihr aussetzt.
Matthias R.Entreß
Parochialkirche, Klosterstr.67, Mi-So 15-20 Uhr, verlängert bis 9.August