20.7.99

DIE OBLIGATORISCHE GITARRE

GTR OBLQ mit Elliott Sharp, Vernon Reid und David Torn im Podewil

 

Die drei Gitarristen sind  schon einzeln Kult. Ein riesiger Schatz an Erfahrungen mit den unterschiedlichsten Spielformen türmt sich auf, wenn sie als Trio "GTR OBLQ" (Guitar Oblique) zum Konzert zusammentreffen. Das Spektrum von Vernon Reid reicht vom Rock seiner früheren Band Living Colour bis zum New Jazz, und während Gitarrenexperimentator David Torn an zahlreichen Soundtracks wie für Robert Altmans "Short Cuts" mitgewerkelt hat und mit Eberhard Weber ECM-Softjazz machte, ist Elliott Sharp als Elektroniker, Gitarrist und Komponist der Guru des New Yorker Underground. Mit seinen Kompositionen für das elektrisierende (und elektrisch verzerrte) Soldier String Quartet und dem "Bang on a Can Spit Orchestra" verschmolz er Punk und E-Musik-Avantgarde zu einer explosiven Einheit.

Aber beim Konzert am bruttigen Montagabend im Hof des Podewil schien ihr multikultureller New Yorker Schmelztiegel wie eingedickt. Zäh, allzu elegisch schoben sich die Klangmassen voran. Die maßstabsetzende CD, für die auf dieser Tournee schließlich geworben wird, mit ihren pausenlosen Metamorphosen, ihren obsessiven und aggressiven Farbwechseln, blieb hier unerreicht. Immer halb über den kleinen Gerätepark aus Sequenzern, Laptop und Schalttafeln gebeugt, mit denen die klangliche Basisversorgung gesichert wurde, entzündeten sie mit keinem der aus ihren Saiten gerissenen Signalen (Western-Licks von David Torn oder Sharps spontane Noise-Collagen) die Improvisationslust und den Widerspruchsgeist der anderen. Verlieren und Finden, sagt Vernon Reid, sei das Prinzip seines Lebens. Umherirren und Suchen bestimmten diesen Abend. Aber was wären Experimente, wenn sie nur gelängen? Hier jedoch schienen müdegewordene Krieger der kulturellen Straßenkämpfe zum x-ten Mal von ihren längstbekannten Siegen zu erzählen. Und das gemütliche Biergartenambiente entsprach auch so gar nicht den finsteren Intentionen dieser Musik.

Erst zum Schluß und bei den dankenswerterweise von einem Teil des Publikums erzwungenen Zugaben fanden die drei zu ihrem typischen Vielklang aus dröhnendem Science-Fiction-Wabern und unbekannten elektrischen Paradiesen. David Torn griff da zur Hitec-Version der arabischen Knickhalslaute Oud und steuerte orientalische Melismen bei, Reid warf Melodien einer vermeintlich heilen Welt ein (und tönte sie ins Böse um)... Spontaneität und Individualität sichern in den frei über mehr oder weniger groovigen Rhythmen hinweggehenden Schußwechseln klare Rollenunterscheidung. Beim festeren Tempo der Schlagzeugsamples griffen auch Sharps nervös-aggressive Querschläge.

30 Jahre nach Ten Years After und Jimi Hendrix ist ihre Musik eine postmoderne Hommage an die Gitarrenorgien der späten 60-er aus der Perspektive der eigenen Entwicklungen, doch diesmal blieben die drei Gitarrenstars hinter ihren Möglichkeiten zurück.

Matthias R.Entreß