MUSIK
UND NICHTS DRUMRUM
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Die FMP und das 31.Total Music Meeting im Podewil -
1968
war die Zeit reif für die den musikalischen Aufstand. Empört und enttäuscht darüber,
daß die Errungenschaften des europäischen neuen Jazz von den Berliner Jazztagen
vernachlässigt und seine speziellen Produktionsweisen nicht beachtet wurden, ergriffen
die Freejazzer selbst die Initiative und veranstalteten im Quasimodo das erste
"Total Music Meeting" (TMM). Der Erkenntnisgewinn rechtfertigte die
Fortsetzung. Im folgenden Jahr wurde die FMP (Free Music Production) gegründet,
Musikerpool, Veranstalter und Schallplattenfirma in einem.
30
Jahre später. Jost Gebers, die graue Eminenz der FMP und heute mit 58 noch genauso
leidenschaftlich dabei wie damals, weist Bezeichnungen wie "ewige
Rebellen" entschieden zurück. Auch sei die strikte Verneinung musikalischer
Konventionen nie als politisch-gesellschaftlicher Kommentar gemeint gewesen.
Gegenüber
dem Jazzfest, das eine internationale Mischung und aktuelle Tendenzen vorführt
und auch kommerziellen Jazz nicht prinzipiell ausschließt, leistet sich das TMM
den Luxus, eine von Modeströmungen völlig unabhängige, geistig freie, kreatürliche
Menschenmusik vorzustellen.
Während
in den Anfangsjahren amerikanische Musiker eigentlich nur im Programm der FMP
auftauchten, wenn sie die europäischen, experimentelleren Spielarten
goutierten, findet man in den neueren Programmen immer wieder jüngere Vertreter
des klassischen amerikanischen Free Jazz, die sich nicht von Soul und Funk
vereinnahmen ließen.
Daneben
zählen heute zur Freien Musik auch längst Formen, die mit der Rhythmik des Jazz
und dessen Instrumentarium wenig gemein haben und viel eher, wie in diesem Jahr
Bassist Fernando Grillo und Posaunist Vinko Globokar, der Neuen Musik verbunden
sind. Jost Gebers sagt: "Das ist ja grad das Schöne, daß es soviele Linien
gibt, Annäherungen und Entfernungen, eine ständige Bereicherung, und daß man
auswählen kann."
Die
wahrheitssuchenden Freistilmusiker treffen, manch Vorurteil zum Trotz, auf ein
kundiges, zahlreiches und altersmäßig stark gemischtes Publikum, das in den unbequemen
Klängen den Maßstab künstlerischer Integrität erkennt. Manches von dem, was im
Umkreis der anfangs sehr fremdartigen Free Music entstanden ist, hat ins
Bewußtsein der Musikwelt ausgestrahlt - "Sogar (der populäre
Jazzgitarrist) Pat Metheny übernimmt Erfahrungen aus diesem Bereich. Mittlerweile
ist, was da passiert, so allgemeingültig geworden, daß man wissen will: Wie
gehts eigentlich weiter, wie weit kann man Extreme noch vorantreiben?"
Daß
man mit diesen Fragestellungen auch ein jazzuntypisches Publikum erreichen
kann, bewiesen die "Free Concerts" im Rathaus Charlottenburg und
"Summer Music" im Haus am Waldsee, beide leider eingestellt. Gebers erzählt:
"Ins Haus am Waldsee kamen zur Hälfte die Zehlendorfer Kunstfreunde und
zur anderen das FMP-Publikum. Für die Musiker war das die größte Herausforderung,
da aufzutreten. Ich erinnere mich an Diskussionen mit älteren Damen, die sich
von Louis Sclavis seine Improvisationsweise erklären ließen. Es war phantastisch.
Das waren Dinge, wo man sagen kann, dafür hat sichs gelohnt."
Der
Reinheitsanspruch der FMP schließt manches aus, was unter Umständen zur
Popularisierung beitragen könnte. Z.B. den Einsatz von neuer Technik, obwohl
sich auf dem Gebiet, wie Gebers weiß, eine Menge Kreativität tummelt. Und
totale Musik draußen bei Bier und Brezeln? "Nein. Musik ist immer die
Hauptsache. Nicht das Ambiente. Musik und nichts drumrum."
Auch
diesmal treten 6 Ensembles und 6 Solisten an 5 Abenden zumeist zweimal auf.
"Das Publikum kann so richtig wahrnehmen, wie die Musiker arbeiten und zu
diesem Ergebnis kommen. Man lernt dabei auch zu hören."
Neben
Klassikern wie Misha Mengelberg oder Alex Schlippenbach, der im Duo mit Tony
Oxley spielt, wird das 20. Jubiläum des ersten West-Konzerts von
DDR-Free-Jazzern gefeiert: Der furiose Trommler "Baby" Sommer im Duo
mit Pianist Ulrich Gumpert, Ernst-Ludwig Petrowskys schlagzeugloses "Selbdritt-Trio"
und das "Manfred-Schulze-Bläserquintett" sind ja im Podewil, dem
ehemaligen ostberliner "Haus der jungen Talente" gewissermaßen die
Gastgeber. Außerdem: das internationale "King Übü Örchestrü", Klarinettist
Louis Sclavis mit dem Geräuschmaschinisten Jean-Marc Montera. Und Pianist Matthew
Shipp vertritt ganz allein die USA.
Matthias
R.Entreß
31.Total
Music Meeting, 4.- 8.Nov. jew. 21 Uhr im Podewil, Klosterstr. 68-70. Info &
Kartentel.: 394 17 56