19.9.02  

Nichtverstehen Übersetzen  

Steve Rodens Klang-Installation in der singuhr-hörgalerie      

In einer Ausstellung mit Werken von Steve Roden könnte mehr zu sehen sein, denn er ist auch Maler. Er macht Bilder, oder er arbeitet mit Klängen; in seiner Ausstellung "light forms/the moon gatherers" in der singuhr-hörgalerie in der Parochialkirche kommt beides in zart tastender Weise zusammen. Im gleichen Maße, wie sich die beiden Werke im Glockenturm und der ehemaligen Sakristei ästhetisch in sich selbst zurückziehen, leiten sie den Besucher auf die Spur des poetischen Grundgedanken von Rodens Gesamtwerk: Den Weg zwischen einem Eindruck und einer Eingebung zu erfahren, einer Verwandlung, einer nicht logischen Übersetzung.  

Dem Betrachter begegnen bei "light forms" eine sehr sanfte Musik aus klickenden Geräuschen und gläsernen Tönen und ein Video, auf dem zwei Arten von Zeichen erscheinen: Armbewegungen und wandernde Lichtwürmer. Dass man da zu rätseln beginnt und zu keinem plausiblen Ende kommt, ist durchaus gewollt. "Ich will", erklärt der 1964 in Los Angeles geborene Roden, "niemandem eine Bedeutung an den Kopf werfen, sondern Situationen schaffen, die eine Inspiration hervorrufen können." Die Früh- und Vorgeschichte dieser unverstehbaren Signale wird aber nicht geheimgehalten. Da mischt sich ein Gedanke an Glocken mit einer englischen Glockenpartitur von 1880, die er zwar nicht lesen konnte, aber sehr schön anzuschauen fand. Die für ihn unverständlichen Zeichen auf der Partitur schnitt er aus und leuchtete mit farbigen Glühlampen hindurch. Das Kontinuum der glockenartigen Musik, die das parochiale Turmverlies durchweht, ist der verlangsamte Klang von Glühbirnen, die leise aneinanderschlagen. Licht und Klang sind vertauscht. Roden: "Ich lasse mich gerne von etwas inspirieren, das ursprünglich ganz anders gemeint war, weil mich das zu einer neuen Arbeitsmethode führt."   Was Roden mit seinen Arbeiten ermöglicht, ist ein neuer Blick, der auf eine allgemeine Vereinbarung darüber, was die Welt ist, verzichtet. Seinen Geist wandern zu lassen - was als sehr ruhige, gar traurige Kunst erscheint, ist gleichzeitig ein utopisches Konzept menschlichen Denkens und Erkennens.      

Matthias R. Entreß       singuhr-hörgalerie in parochial, Klosterstr.67, Berlin-Mitte; bis 27.10., Do-So 14-20 Uhr. Eintritt frei   www.singuhr.de