9.9.02  

Brücke zwischen Persien und Europa  

Persische klassische Kunstmusik im HKW       

Mögen die Kulturen des nahen und mittleren Ostens mit der europäischen auch wenig gemein haben, in den Menschen, die vom einen in den anderen Kulturkreis gewechselt sind, verbinden sie sich auf ganz natürliche Weise.  

Ein prachtvolles Beispiel für diese Aneignung, die von beiden Seiten das beste miteinander verschmilzt, ist das heutige Konzert mit persischer Kunstmusik "Essence of Love" im Haus der Kulturen der Welt. Das Projekt der Sängerin Zohreh Jooya und des Komponisten Madjid Derakhshani bringt nicht nur das traditionelle orientalische Instrumentarium wie Oud, Daf oder Santur mit Saxofon und Flöte zusammen, sondern verbindet auch die mystische Lyrik und den fremdartigen melodischen Reichtum Persiens mit den Farben und mehr noch den Formen der westlichen Musikerfahrung. Das ist keineswegs ein Zugeständnis an hiesige Hörgewohnheiten, sondern eine neue, dem veränderten Lebensgefühl angemessene Interpretation der innigen und weltweisen klassischen Dichtungen von Hafez, Sadi und anderen, die im Konzert von Berthold Kogut auch auf Deutsch vorgetragen werden.  

"Die Grundlage dieses Projekts", sagt Frau Jooya, die vor über zwanzig Jahren zum Gesangsstudium nach Amsterdam und Wien kam und Karriere auf der Opernbühne machte, "sind für mich meine Wurzeln in Persien und meine Entwicklung in Europa." Ihre geschmeidige Stimme gibt dem melismatischen Zauber des Orients einen ganz eigenen Reiz.   Poesie und Musik gehen in der persischen Klassik eine sehr enge gefühlsmäßige Verbindung ein. Derakhshani, ein Meister der Lauteninstrumente Tar und Setar, der seit fünfzehn Jahren in Deutschland lebt, schenkte den tiefernsten Klängen der klassischen persischen Musik - durch die viel feineren Intervalle ist der "Moll-Bereich" von geradezu unendlichem Reichtum - die emotionale Freiheit des Westens.  

Matthias R. Entreß