6.8.02
Tanzperformance
Zukunft und Vergangenheit
David Lakeins Tanzperformance "Running on a chance" im Ballhaus Naunynstraße
Tanztheater rührt, da meistens wortlos und somit ohne Ausrede,
entschiedener
als andere Theaterkünste an die Grundfeste der Existenz. David
Lakein, der
Wahl-Amsterdamer aus den USA und in Berlin regelmäßiger Gast,
hat in seinen
Produktionen als Tänzer und Regisseur immer neue Wege gefunden,
die
Körperkunst gleichermaßen mit alltäglichen wie auch
philosophischen
Zusammenhängen zu verknüpfen. Sein neuestes Stück hat den
vieldeutigen Titel
"Running on a chance" (etwa: Auf den bloßen Verdacht
hin) und handelt von
einer umfassenden Vision des Lebens in seiner Zeitlichkeit und
seinen
Bedingungen.
"Wie können wir", fragt Lakein, "eine
Beziehung mit der Zukunft herstellen?
Hindert uns unsere Vergangenheit daran, oder unterstützt sie uns?"
Lakein erzeugt auf der Basis von Erwartungen und Ängsten ein
Kontinuum des
Handelns und Reagierens. Eindeutige Antworten zu liefern ist
nicht sein
Ziel. Die vier Tänzer, Lakein eingeschlossen, ein Musiker und
ein
Lichtkünstler formulieren einzeln und gemeinsam in Lakeins
ausgefeilter
Dramaturgie unterschiedliche Situationen, und dabei bekommen das
Komische
und Groteske neben dem Ernsten ihr Recht. Lakeins natürliches
Talent ist es,
bei aller formalen und ästhetischen Durcharbeitung stets eine
nacherlebbare
seelische Situation zu schaffen. "Wir benutzen Bildersprache,
Musik, Licht,
aber nicht im Sinne einer konkreten Übersetzung", erzählt
der
kosmopolitische 33-Jährige, der sich von Beginn seiner Tänzerlaufbahn
an mit
den modernsten Techniken wie Contact Improvisation oder Body-Mind-Centering
vertraut gemacht hat. "Running on a chance" ist
das Ergebnis einer intensiven Kooperation
verschiedener erfahrener Künstler und Charaktere. Besonders
deutlich wird
das, wenn der Live-Elektroniker Richard Scott aus der englischen
Free-Music-Szene, und Nils-R. Schultze, Lichtbildner und einziger
Deutscher
in der multinationalen Besetzung, mit ihren Medien gleichfalls
als
"Personen" agieren, und nicht nur als
Hintergrundlieferanten.
Matthias R. Entreß