9.9.02  

"Zeichen Zeichnen"  

Eberhard Blum Schriftgrafik in der Galerie Gelbe Musik      

Für die Neue Musik ist es ein großer Verlust: Eberhard Blum hat, mit 62, seine Flöte an den Nagel gehängt und spielt nicht mehr. "Ich bin nicht krank und ich muss auch noch nicht sterben! Besser ein Jahr zu früh aufhören als eine Minute zu spät. Ich wollte nicht, dass die Leute sagen: 'Für sein Alter hält er sich er aber noch ganz ordentlich.'" Seit etwa 1980 betrieb er neben der Musik - er war einer der weltweit wichtigsten Interpreten der New York School (John Cage, Morton Feldman, Christian Wolff) - und dadaistischen Sprechperformances die Zeichenkunst. "Zeichen Zeichnen", abstrakt oder in Deutsch und immer mit dem zupackenden Impuls des Zeigenwollens ist sein Metier, und es war das Gegenteil zur Interpretation der vorwiegend extrem ruhigen Musik. In seiner neuen Serie, die nun in der Galerie Gelbe Musik gezeigt wird, die auch das gesamte musikalische Schaffen Blums vorrätig hat, beschreitet er einen etwas anderen Weg. 26 essentielle chinesische Schriftzeichen wie "Schicksal", "Liebe", "Weisheit" hat er in die gerade Linie umgesetzt. Zunächst hatte er geplant, nur den rechten und den 45°-Winkel zuzulassen, aber das ließ sich nicht aufrechterhalten. "Ich wollte nämlich", erklärt er, "dass Chinesen die Zeichen noch lesen können." Blum ging es bei seiner Arbeit einerseits um die Kontrolle des visuellen Reizes und, mithilfe von Lineal und Winkelmesser, um die Erforschung eines exakten zeichnerischen Regelsystems. Obwohl Blum eine Analogie mit seiner Interpretation von Musik verneint, bekommen die schließlich mit freier Hand gesetzten Striche auf schwarzem Grund dieselbe Unbedingtheit und Konzentration, die auch sein klarbewusstes, auf Verführung aber ganz verzichtendes Flötenspiel auszeichnete: Sehr strenge Musik für die Augen.  

Matthias R. Entreß      

Galerie Gelbe Musik, Schaperstr.11, Berlin-Wilmersdorf, Tel. 2113962, Di-Fr, 13-18 Uhr, Sa 11-14, noch bis 12.10. Eintritt frei