16.11.01
Brahms und Beethoven unter Feuer
Das Jerusalem String Quartet im Jüdischen Museum
Einen Quartettabend unter Hochspannung gab es am Donnerstagabend im Rahmen
der Jüdischen Kulturtage im Jüdischen Museum. Die strengen
Sicherheitsvorkehrungen erinnern daran, unter welchen Gefährdungen nicht
nur Israel, sondern auch jüdische Einrichtungen im Ausland heute zu
ächzen haben. Die Kultur bleibt davon nicht unberührt.
Erhöhte Alarmbereitschaft prägte auch das Spiel des jungen
Jerusalem String Quartet, das sein Konzert nicht in den verwinkelten
Ausstellungsräumen, sondern im nüchternen Konferenzsaal oben im Altbau
zwischen Dachschrägen unter niedriger Decke gab - ein spitzer Winkel des
Libeskind-Baus schneidet den Zuhörern in den Rücken. Noch keine 25
Jahre alt, stricken die vier Ausnahmemusiker bereits fleißig an ihrer
Legende. Seit acht Jahren zusammen, haben sie sich ihren internationalen Schliff
bei Meistern wie Isaac Stern oder dem Amadeus Quartett geholt. Heute stehen sie
in der Blüte ihrer ersten Reife. Präzision und ernste, aber feurige
Leidenschaft prägt ihr Spiel. Der Druck, unter dem sie schon das frühe
Beethoven-Quartett op.18,3 beginnen, verbietet ein gemütliches
Zurücklehnen. Von jugendlicher Legerezza findet sich keine Spur. Hier wird
jeder Ton, jeder Klang in der nach harmonischer Schärfe strebenden
Interpretation erobert. Die Rhythmik bebt von der gleichen Kraft. Unerbittlich
rockt das Presto-Finale! Das ist bereits der Beethoven, der den Menschen in
ihrer Schlaffheit Maßstäbe setzt, dass die Erde zittert!
Aus dem Meer der Tränen und dem großen Erbe der weltweit
gestreuten und sich doch nie verloren habenden jüdischen Gesänge
schöpfte "Between the Sacred and the Profane" des 1950 geborenen
Menachem Wiesenberg. Nicht unähnlich der Musik Bartoks lädt Wiesenburg
die musikalische Volks-Tradition expressiv auf, und mit klanglicher
Sensibilität das damit wohlvertraute Quartett.
Dass Brahms nicht nur als Sinfoniker den Riesen Beethoven hinter sich
stampfen hörte, daran blieb bei seinem a-moll-Quartett op.51,1, zum Schluss
des Konzerts, kein Zweifel. Nach dem stahlharten Hämmern des ersten Satzes
gelang es den Jerusalemern mit gleicher Kraft und geradezu elektronischer
Exaktheit, die Aufmerksamkeit auch auf die zahlreichen innigen Schönheiten
des Werks zu lenken. Mit Spannung dürften die weiteren Metamorphosen dieser
vier viel versprechenden Musiker zu beobachten sein.
Matthias R. Entreß